Wie kann künstliche Intelligenz Tierärztinnen und Tierärzten helfen?

Unter Tierärztinnen und Tierärzten etabliert sich zunehmend die prädiktive Diagnostik. Transformative Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) ziehen immer stärker in den Arbeitsalltag ein.

Tierarztpraxen werden immer voller und die Behandlungsfenster entsprechend kürzer. Da geben die neuen Technologien den Ärztinnen und Ärzten das gute Gefühl, jedem Patienten trotzdem zuverlässig eine präzise Diagnose zu stellen. Was kann KI also zur Zukunft der Tiermedizin beitragen?

Was ist künstliche Intelligenz?

Wenn Maschinen ein intelligentes menschliches Verhalten imitieren können, ist oft KI im Spiel. Die folgenden Merkmale sind Kernelemente der KI und grenzen sie von anderen IT-Disziplinen ab:

  • Autonomie: die Fähigkeit, Aufgaben in einer komplexen Umgebung auszuführen, ohne laufend Input eines Anwenders zu erhalten
  • Adaptivität: die Fähigkeit, aus Erfahrung zu lernen und so die eigene Leistung zu verbessern

Am besten greifbar wird KI anhand von Beispielen. Sie ist fest in unserem Alltag verankert – in Suchmaschinen, sozialen Medien, Onlineshopping-Plattformen und sogar in unserer Lieblings-App auf dem Smartphone. KI ermöglicht neue Entertainment-Angebote und hilft uns, Arbeiten schneller, leichter und in besserer Qualität zu erledigen – und das oft völlig unbemerkt.

Ein Teilgebiet der KI ist maschinelles Lernen (ML). ML basiert auf Statistik und umfasst Computer-Algorithmen, die sich durch Erfahrung und Datenverarbeitung selbständig verbessern.

KI in der Tiermedizin

Tierärztinnen und Tierärzte haben ein breites Aufgabenspektrum. Sie müssen Krankengeschichten erfassen und mit aktuellen Befunden abgleichen, bildgebende Untersuchungen interpretieren und Ergebnisse von Blutuntersuchungen auswerten. Bei vielen dieser Aufgaben kann KI sie unterstützen und sogar zu besseren Ergebnissen führen.
Bildlich gesprochen kann man sich KI als kollektiven Geist der Top-Expertinnen und Experten einer Disziplin vorstellen, der jede Frage in Echtzeit beantwortet. So treffen Sie als Tierärztin bzw. Tierarzt bessere Entscheidungen und gewinnen mehr Sicherheit.

KI und Diagnostik

Ein gutes Beispiel ist der Einsatz von KI in der Hämatologie. Mit KI und maschinellem Lernen sind Blutzellen schneller und genauer identifizierbar. Vorprogrammierte Algorithmen erkennen anhand einer Baseline typische Abweichungsmuster im großen Blutbild und können im Blutbild Normwerte identifizieren. Die Sensoren moderner Diagnoseinstrumente können Proben in fünf Dimensionen gleichzeitig analysieren. Aus den erhobenen Zelldaten werden mehrere Ansichten von jeder Zelle generiert, sodass Zellpopulationen ohne störende Fragmente oder Fremdzellen darstellbar sind. Dies ermöglicht eine bessere Zellcharakterisierung der roten und weißen Blutkörperchen sowie der Blutplättchen und gibt Tierärztinnen und Tierärzten tiefere Einblicke in Blutanomalien.
In nicht allzu ferner Zukunft könnten KI-Systeme schon selbständig medizinische Ergebnisse interpretieren und Echtzeit-Diagnoseberichte erstellen, die die Tierärztin oder der Tierarzt nur noch prüfen und bestätigen muss. Eine solche Automatisierung von klinischen Auswertungen würde Tierärztinnen und Tierärzten wertvolle Arbeitszeit und geistige Kapazitäten zurückgeben, um sie anderweitig zu nutzen. Sie könnten mehr Patienten behandeln, den einzelnen Patienten intensiver betreuen, und sie hätten mehr Zeit für die eigene Weiterbildung.

Es gibt zahlreiche vielversprechende Einsatzmöglichkeiten für KI in der Tiermedizin. Wie stehen an der Schwelle eines neuen Zeitalters der KI-gestützten evidenzbasierten Tiermedizin. Auch wenn es noch Bedenken auszuräumen und Herausforderungen zu meistern gilt, können sich Tierärztinnen und Tierärzte dem Fortschritt nicht verschließen. So ebnet uns KI den Weg in eine spannende Zukunft.

Chris Shivelton Queen
MRCVS, BSc, BVSc

Dr. Queen, auch bekannt als der „Nerdy Vet“, ist ein Kleintierarzt mit einer Leidenschaft für Technologie. Seit seinem Abschluss an der University of Bristol in Veterinärwissenschaften und Biochemie hat Dr. Queen zahlreiche Texte zu technologischen Themen, darunter Virtual und Augmented Reality, verfasst und Vorträge bei mehreren Technologie-Konferenzen sowohl in Nordamerika als auch im Nahen Osten gehalten. Besonders gern nutzt Dr. Queen seine Fähigkeit, komplexe Konzepte auf nachvollziehbare und verständliche Weise zu vermitteln. In seinem Blog „The Nerdy Vet“ befasst er sich mit einer Vielzahl an Themenbereichen. Die in diesem Beitrag behandelten Ansichten und Standpunkte sind die des Autors und spiegeln nicht zwangsläufig die Ansichten von The Vetiverse oder IDEXX wider.